Geschichten vom Unterwegssein

Begegnungen mit Frauen auf ähnlichen Wegen

Wir gehen nie wirklich allein. Auf unseren Lebenswegen begegnen wir anderen Reisenden - Frauen, die ähnliche Pfade beschreiten, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen und die ähnliche Erkenntnisse gewinnen wie wir selbst.

In diesem Raum teilen wir Geschichten von Frauen, die unterwegs sind. Frauen, die aufgebrochen sind, um ihrer Wahrheit zu folgen. Die Umwege gegangen sind und Sackgassen erlebt haben. Die durch dunkle Täler gewandert sind und überraschende Aussichten entdeckt haben.

Diese Geschichten sind weder perfekt noch abgeschlossen. Sie sind ehrlich, unvollständig und voller Leben - genau wie unsere eigenen. Sie laden dich ein, dich wiederzuerkennen, dich verstanden zu fühlen und Mut zu schöpfen für deinen ganz eigenen Weg.

07.05.2025

Der rote Faden: Elenas Geschichte

"Manchmal verstehst du erst später, dass bestimmte Umwege keine Irrwege waren, sondern genau die Strecke, die du gehen musstest." - Elena, 52

Der Aufbruch

Sie sitzt mir gegenüber, die Hände um eine Teetasse geschlungen, das Haar in einem lockeren Knoten zusammengebunden. Elena ist 52 und strahlt jene besondere Ruhe aus, die oft aus durchlebten Stürmen erwächst. Als ich sie frage, wann ihre Reise begann, lacht sie leise.

"Mit 42 hat mich mein Leben an eine Weggabelung geführt, an der alle vertrauten Wegweiser versagten. Meine Ehe ging zu Ende nach fast zwanzig Jahren. Die Kinder waren gerade ausgezogen. Mein Vater wurde pflegebedürftig. Und in meinem Job hatte ich eine Beförderung bekommen, die plötzlich alles andere als erstrebenswert erschien."

Es ist diese Mischung aus äußeren Veränderungen und innerer Unruhe, die viele von uns kennen. Dieser Moment, in dem ein sorgsam gebautes Leben plötzlich wie ein zu eng gewordenes Kleid erscheint.

"Ich erinnere mich noch an diesen einen Morgen", erzählt Elena. "Ich stand vor dem Spiegel und fragte mich: 'Wer bist du eigentlich? Und wer willst du sein in dieser zweiten Lebenshälfte?' Die Antworten kannte ich nicht. Aber die Fragen waren ein Anfang."

Die Umwege

Elenas Weg führte zunächst durch das, was sie heute lächelnd ihre "Versuchslabor-Phase" nennt. Ein Sabbatical, gefolgt von einer Zeit des Experimentierens. Sie versuchte die Rolle der unermüdlichen Weltreisenden ("Bin nach drei Monaten erschöpft zurückgekehrt"), der Vollzeit-Künstlerin ("Talentiert, aber nicht leidenschaftlich genug") und der Pflegerin ihres Vaters ("Die emotional herausforderndste Zeit meines Lebens").

"Es gab Momente, in denen ich dachte: Hast du wirklich alles aufgegeben, um jetzt so planlos zu sein? Aber heute weiß ich, dass all diese 'Umwege' nötig waren. Sie haben mir gezeigt, was ich nicht will – und das ist manchmal genauso wichtig wie zu wissen, was man will."

Eine Erkenntnis, die sich durch viele Frauengeschichten zieht: Der Weg führt selten geradeaus. Er windet sich, kehrt manchmal zu bereits besuchten Orten zurück, und nimmt überraschende Wendungen.

Der rote Faden

Was Elena damals fehlte, war nicht etwa Mut oder Energie – es war ein roter Faden. "Ich suchte nach einem Leitmotiv für diese neue Lebensphase. Etwas, das all meinen Entscheidungen eine Richtung geben würde."

Sie fand ihn in einem unerwarteten Moment, als sie für eine Freundin einsprang, die eine Gesprächsgruppe für Frauen im Umbruch leitete. "Plötzlich saß ich in einem Raum voller Frauen, die ähnliche Fragen hatten wie ich. Die nach neuen Wegen suchten, nach Sinn, nach einer Version ihrer selbst, die authentischer war."

Der rote Faden wurde sichtbar: Das Verbinden von Menschen in Übergangsphasen. Das Schaffen von Räumen für ehrliche Gespräche. Heute, zehn Jahre später, leitet Elena Workshops für Frauen in der Lebensmitte, schreibt Bücher über persönliche Transformation und hat ein Netzwerk für gegenseitige Unterstützung aufgebaut.

"Was mich am meisten überrascht: Mein Leben nutzt jetzt alles, was ich je gelernt habe. Meine organisatorischen Fähigkeiten aus dem früheren Job. Die Kreativität aus meiner Künstlerphase. Das tiefe Mitgefühl, das ich während der Pflege meines Vaters entwickelt habe. Nichts war umsonst."

Die Wegweisheit

Wenn Elena heute jüngeren Frauen einen Rat geben soll, zögert sie. "Ratschläge sind oft Schläge", lächelt sie. "Aber eine Erkenntnis möchte ich teilen: Vertraue dem Prozess. Selbst wenn du dich verloren fühlst, sammelt deine Seele Erfahrungen. Höre auf die leisen Impulse in dir. Und vor allem: Finde andere Frauen, die ähnliche Wege gehen. Die Verbindung zu Gleichgesinnten hat mir mehr Kraft gegeben als alles andere."

Als unser Gespräch endet und wir durch den Herbstwald zurück zum Parkplatz gehen, bleibt Elena kurz stehen und blickt zurück auf den gewundenen Pfad. "Siehst du", sagt sie und deutet auf die bunte Blätterpracht, "manchmal ist es gerade die Unvorhersehbarkeit des Weges, die seine Schönheit ausmacht."

Welcher Teil von Elenas Geschichte berührt dich am meisten? Welchen roten Faden erkennst du in deinem eigenen Leben?

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