Die Landkarte unserer Verbindungen
In unserem Leben weben wir ein komplexes Netz aus Beziehungen – zu unseren Partnern, unseren Freunden, unserer Familie und nicht zuletzt zu uns selbst. Jede dieser Verbindungen trägt ihre eigene Farbe, ihre eigene Sprache und ihre eigenen Herausforderungen.
In diesem Raum erkunden wir die verschiedenen Landschaften unserer Beziehungen. Wir betrachten die Tiefe der Partnerschaft, die Kostbarkeit echter Freundschaft und die vielleicht wichtigste Verbindung von allen – die zu unserem eigenen Herzen.
Hier findest du einfühlsame Gedanken, praktische Impulse und ehrliche Reflektionen, die dich einladen, deine eigenen Beziehungen mit frischen Augen zu betrachten – mit mehr Bewusstheit, Tiefe und Authentizität.
07.05.2025
Es gibt eine besondere Magie in der Art, wie Beziehungen unser Leben formen. Sie sind die unsichtbaren Fäden, die das Gewebe unseres Daseins bilden – manchmal sanft und tragend, manchmal herausfordernd und spannungsgeladen. Und doch sind sie es, die unserem Leben Tiefe, Bedeutung und Farbe verleihen.
Die Partnerschaft: Der Tanz zu zweit
Eine Partnerschaft ist wie ein langer Tanz. Manchmal bewegen wir uns in perfekter Harmonie, im nächsten Moment treten wir uns auf die Füße. Es gibt Phasen intensiver Nähe und solche der Distanz. Momente tiefen Verständnisses und solche der Verwirrung.
Vielleicht liegt das Geheimnis einer erfüllenden Partnerschaft weniger in der perfekten Übereinstimmung als in der Bereitschaft, immer wieder zum gemeinsamen Tanz zurückzukehren. Nicht weil es immer leicht ist, sondern weil wir entschieden haben, dass dieser Mensch es wert ist – mit all seinen Unvollkommenheiten, seinen Eigenheiten, seinen Schatten und seinem Licht.
Eine reife Partnerschaft erkennt an, dass Liebe keine Zauberkraft ist, die Probleme von selbst löst. Sie ist vielmehr eine tägliche Entscheidung: für Ehrlichkeit statt Bequemlichkeit. Für Offenheit statt Rückzug. Für das Wachstum zu zweit statt der Erstarrung nebeneinander.
Die Freundschaft: Der Garten der Herzensverbindungen
Wenn die Partnerschaft ein Tanz ist, dann ist Freundschaft ein Garten, den wir gemeinsam bestellen. Manche Freundschaften sind wie alte Eichen – tief verwurzelt, Schutz spendend, über Jahrzehnte gewachsen. Andere gleichen eher Wildblumen – überraschend, saisonal, intensiv in ihrer Schönheit.
In einer Welt, die oft nur das Romantische idealisiert, unterschätzen wir häufig die tiefe Bedeutung von Freundschaften. Dabei sind sie es oft, die uns durch die stürmischsten Kapitel unseres Lebens tragen. Die uns spiegeln. Die uns herausfordern. Die uns kennen und trotzdem mögen.
Wahre Freundschaft lebt von einer besonderen Art der Verbindlichkeit. Nicht von der exklusiven Verbindlichkeit der Partnerschaft, sondern von einer widerstandsfähigen Verlässlichkeit, die auch längere Pausen und Veränderungen übersteht.
Die Beziehung zu dir selbst: Der Urquell aller Verbindungen
Die vielleicht am meisten übersehene und doch fundamentalste aller Beziehungen ist die zu uns selbst. Sie ist der Boden, auf dem alle anderen Verbindungen wachsen.
Wie sprichst du mit dir, wenn niemand zuhört? Mit welchen Augen betrachtest du deine Fehler? Welche Teile von dir warten noch darauf, wirklich gesehen und angenommen zu werden?
Eine liebevolle Beziehung zu sich selbst zu entwickeln ist keine Selbstverständlichkeit – besonders für Frauen, die oft darin sozialisiert wurden, die Bedürfnisse anderer über die eigenen zu stellen. Es ist ein Prozess des Kennenlernens, des Vergebens und des Annehmens.
Es bedeutet, dir selbst die Erlaubnis zu geben, unvollkommen zu sein. Grenzen zu setzen. Deine Wahrheit zu sprechen, auch wenn sie unbequem ist. Es bedeutet, dich selbst als würdig zu betrachten – nicht wegen deiner Leistungen, deiner Rollen oder deiner Beziehungen, sondern einfach, weil du bist.
Die Verbindung der drei Welten
Diese drei Beziehungsformen – Partnerschaft, Freundschaft und Selbstbeziehung – existieren nicht isoliert voneinander. Sie nähren und beeinflussen sich gegenseitig in einem ständigen Fluss.
Wenn wir lernen, uns selbst mit Mitgefühl zu begegnen, verändert sich auch, wie wir Beziehungen leben. Wenn wir in Freundschaften Authentizität erfahren, kann dies unsere Partnerschaft bereichern. Und wenn wir in der Partnerschaft wachsen, spiegelt sich dies oft in einem tieferen Verständnis unserer selbst wider.
Vielleicht liegt darin eine der schönsten Erkenntnisse: Jede Beziehung, die wir mit Bewusstheit und Offenheit leben, trägt das Potenzial in sich, alle anderen Verbindungen in unserem Leben zu vertiefen und zu bereichern.
Welche dieser drei Beziehungsformen fordert dich gerade am meisten heraus? Und in welcher findest du derzeit am meisten Kraft?
16.05.2025
Liebe Leserin,
wenn du diese Zeilen liest, hast du vermutlich schon einige Jahrzehnte Beziehungserfahrung hinter dir. Du kennst die Höhen und Tiefen der Liebe, die Wendepunkte in Freundschaften, die stillen Momente der Selbstreflexion. Mit jedem Jahr unseres Lebens werden unsere Beziehungsgeflechte komplexer, tiefer und – wenn wir Glück haben – auch wahrhaftiger.
In unserer Lebensmitte verändert sich oft unsere Perspektive auf Beziehungen. Was einst selbstverständlich schien, erscheint plötzlich in neuem Licht. Was uns früher wichtig war, tritt in den Hintergrund, während andere Aspekte an Bedeutung gewinnen. Es ist, als würden wir eine neue Brille aufsetzen – eine, die uns erlaubt, klarer zu sehen, was uns wirklich nährt und was uns Energie raubt.
Heute möchte ich mit dir über die drei Beziehungsformen nachdenken, die unser Leben am tiefsten prägen: die Partnerschaft, die Freundschaft und die Beziehung zu uns selbst. Jede dieser Beziehungen trägt auf ihre Weise zu unserem Wohlbefinden bei, jede hat ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten, und jede verdient in dieser Lebensphase besondere Aufmerksamkeit.
Partnerschaft im Wandel der Zeit
Ob du seit Jahrzehnten mit demselben Menschen zusammen bist, ob du nach einer Trennung einen neuen Partner gefunden hast, ob du allein lebst oder in einer unkonventionellen Beziehungsform – die Art, wie wir Partnerschaft in der zweiten Lebenshälfte erleben, unterscheidet sich oft grundlegend von unseren früheren Erfahrungen.
Die langjährige Beziehung: Wenn die Glut unter der Asche glimmt
Vor einigen Monaten saß ich mit meiner Freundin Claudia bei einem Glas Wein auf ihrer Terrasse. Sie und ihr Mann Thomas sind seit 28 Jahren verheiratet. "Weißt du", sagte sie nachdenklich, "früher dachte ich immer, eine gute Ehe müsste ständig prickelnd sein, wie in den ersten Jahren. Heute weiß ich, dass es viel mehr um diese tiefe Vertrautheit geht, die sich nur über Jahre entwickeln kann."
Diese Vertrautheit – dieses tiefe Wissen um den anderen, das gemeinsame Durchleben von Krisen, die geteilten Erinnerungen – ist ein Schatz, der sich nicht erzwingen lässt, sondern nur über die Zeit wachsen kann. Gleichzeitig birgt gerade diese Vertrautheit die Gefahr, dass wir aufhören, einander wirklich zu sehen.
"Nach dem Auszug unseres jüngsten Kindes hatten Thomas und ich plötzlich wieder Zeit füreinander – und wussten zunächst gar nicht, was wir damit anfangen sollten," erzählte Claudia weiter. "Es war, als müssten wir uns neu kennenlernen. Nicht als Eltern, nicht als Organisationsteam unseres Familienalltags, sondern einfach als Mann und Frau."
Dieser Prozess des Neukennenlernen kann herausfordernd sein, aber er birgt auch wunderbare Chancen. Wie Claudia es ausdrückt: "Wir entdecken gerade, dass unter der gemütlichen Alltagsglut noch immer Funken der Leidenschaft glimmen. Sie zeigen sich anders als früher – subtiler, tiefer, bewusster. Aber sie sind da, wenn wir ihnen Raum geben."
Für langjährige Beziehungen in unserer Lebensmitte kann es wertvoll sein, bewusst neue gemeinsame Erfahrungen zu schaffen. Neue Hobbys zu entdecken, gemeinsam zu reisen, oder auch nur einen wöchentlichen "Date-Abend" einzuführen, bei dem der Alltag draußen bleibt. Diese bewussten Unterbrechungen des Gewohnten können die Augen wieder füreinander öffnen.
Neuanfänge: Wenn die Liebe uns in der zweiten Lebenshälfte überrascht
Nicht jede von uns ist in einer langjährigen Beziehung. Manche haben sich getrennt oder sind verwitwet, andere haben vielleicht nie die passende Partnerschaft gefunden. Und manchmal überrascht uns die Liebe gerade dann, wenn wir sie am wenigsten erwarten.
Meine Cousine Sabine, 54 und seit fünf Jahren geschieden, erzählte mir kürzlich von ihrer neuen Beziehung. "Ich hatte mich schon damit abgefunden, allein zu bleiben," sagte sie. "Ich hatte mein Leben eingerichtet, genoss meine Unabhängigkeit und dachte, das Kapitel Partnerschaft sei für mich abgeschlossen. Und dann traf ich Michael beim Wandern, und alles war anders."
Anders – aber nicht wie in jungen Jahren. "Mit Mitte Fünfzig liebe ich bewusster," reflektierte Sabine. "Ich kenne mich selbst besser, weiß klarer, was ich brauche und was ich geben kann. Ich habe nicht mehr diese rosarote Brille auf, durch die ich früher geschaut habe. Stattdessen sehe ich den anderen Menschen mit all seinen Ecken und Kanten – und entscheide mich trotzdem jeden Tag neu für ihn."
Diese bewusste Liebe, die aus der Lebenserfahrung heraus wächst, hat ihre eigene Tiefe und Schönheit. Sie ist weniger von Hormonen und gesellschaftlichen Erwartungen getrieben und mehr von der Freude am gemeinsamen Weg. Sie kennt den Wert der Zeit und verschwendet sie nicht mit Spielchen oder unrealistischen Vorstellungen.
Eine neue Liebe in der Lebensmitte bringt natürlich auch Herausforderungen mit sich. Zwei erwachsene Menschen mit eigenen Lebensgeschichten, Gewohnheiten und oft auch Kindern oder Enkeln müssen ihren gemeinsamen Rhythmus finden. "Wir gehen es langsam an," sagte Sabine. "Jeder behält seine Wohnung, wir verbringen die Wochenenden zusammen. Vielleicht ziehen wir irgendwann zusammen, vielleicht auch nicht. Das Schöne ist: Wir müssen nichts überstürzen. Wir können den Weg gemeinsam entdecken."
Allein leben – und verbunden sein
Für manche von uns ist das Alleinsein keine Übergangsphase, sondern eine bewusste Lebensform. Sei es nach einer Trennung, dem Tod des Partners oder weil wir nie die passende Beziehung gefunden haben – das Leben ohne feste Partnerschaft kann in der zweiten Lebenshälfte zu einer erfüllenden und bereichernden Erfahrung werden.
Meine Freundin Ingrid, 61 und seit fast zwei Jahrzehnten alleinstehend, drückte es so aus: "Nach meiner Scheidung mit 42 dachte ich, ich müsste unbedingt wieder einen Partner finden. Ich fühlte mich unvollständig, wie ein halber Mensch. Es hat Jahre gedauert, bis ich erkannte, dass ich vollständig bin – mit oder ohne Beziehung."
Diese Erkenntnis hat ihr Leben verändert. Statt verzweifelt nach einem neuen Partner zu suchen, begann sie, ihr Leben nach ihren eigenen Vorstellungen zu gestalten. Sie reiste, nahm ein Studium auf, gründete einen Lesekreis und baute tiefe Freundschaften auf.
"Natürlich gibt es Momente, in denen ich mir Nähe und Intimität wünsche," gab sie zu. "Aber diese Momente definieren mich nicht. Sie sind Teil meines Lebens, wie Regentage Teil eines Sommers sind. Ich habe gelernt, auch die Regentage zu schätzen – und weiß, dass nach ihnen wieder die Sonne scheint, auf die eine oder andere Weise."
Allein zu leben bedeutet nicht, auf Beziehungen zu verzichten. Es bedeutet, ein Netz von Verbindungen zu knüpfen, die uns auf verschiedene Weise nähren – Freundschaften, Familienbeziehungen, Gemeinschaften, in denen wir uns engagieren, und ja, manchmal auch Begegnungen, die Nähe und Intimität schenken, ohne gleich den Anspruch einer lebenslangen Partnerschaft zu erheben.
Freundschaft – der unterschätzte Schatz
In unserer Gesellschaft wird oft die romantische Liebe auf ein Podest gehoben, während Freundschaften als "zweitrangige" Beziehungen betrachtet werden. Doch gerade in der Lebensmitte erkennen viele von uns, welchen unschätzbaren Wert tiefe, authentische Freundschaften haben.
Die Freundinnen, die mit uns durch dick und dünn gehen
Es gibt diese besonderen Freundschaften, die uns seit Jahrzehnten begleiten. Freundinnen, die uns in unseren verschiedenen Lebensphasen gesehen haben – als junge Frauen, als frischgebackene Mütter, bei Karrieresprüngen und Lebenskrisen. Sie kennen unsere Geschichte, oft besser als wir selbst. Sie erinnern uns an Teile von uns, die wir vielleicht vergessen haben.
"Meine Freundin Beate ist wie ein Spiegel für mich," erzählte mir eine Teilnehmerin eines Schreibworkshops. "Wenn ich mich selbst zu ernst nehme oder in alten Mustern gefangen bin, bringt sie mich mit einer einzigen Bemerkung zum Lachen – und zur Besinnung. Sie kennt mich seit 35 Jahren und erinnert mich daran, wer ich wirklich bin, jenseits aller Rollen und Masken."
Diese langjährigen Freundschaften zu pflegen ist eine der besten Investitionen, die wir machen können. Sie bieten uns Kontinuität in einer sich ständig verändernden Welt und die seltene Erfahrung, wirklich gesehen und verstanden zu werden.
Doch wie alle Beziehungen brauchen auch diese Freundschaften Pflege. Der Alltag, geografische Distanzen oder unterschiedliche Lebensphasen können uns auseinandertreiben, wenn wir nicht bewusst gegensteuern. Regelmäßige Treffen, Telefonanrufe, gemeinsame Reisen oder auch nur der Austausch kleiner Alltagsmomente per Nachricht – all das hält die Verbindung lebendig.
Neue Freundschaften in der Lebensmitte – eine besondere Qualität
Neben den langjährigen Freundschaften gibt es etwas ebenso Wertvolles: die neuen Freundinnen, die in unserer jetzigen Lebensphase in unser Leben treten. Menschen, die uns nicht durch die Geschichte kennen, sondern uns so begegnen, wie wir jetzt sind.
"Als ich mit Mitte Fünfzig in eine neue Stadt zog, hatte ich Angst, keine neuen Freundinnen mehr zu finden," erzählte mir Helga. "In diesem Alter sind doch alle Freundschaften schon geschlossen, dachte ich. Wie falsch ich lag! Im Chor, den ich kurz nach dem Umzug entdeckte, fand ich nicht nur Gleichgesinnte, sondern echte Seelenverwandte – Frauen, mit denen ich auf einer Ebene verbunden bin, die ich in meinen alten Freundschaften teilweise vermisst hatte."
Diese neuen Freundschaften haben eine besondere Qualität. Sie basieren weniger auf gemeinsamer Geschichte und mehr auf gemeinsamen Interessen, Werten und Lebenseinstellungen. Sie bringen frische Perspektiven in unser Leben und spiegeln uns, wer wir heute sind – nicht, wer wir vor zwanzig oder dreißig Jahren waren.
Um für solche neuen Verbindungen offen zu sein, ist es hilfreich, den eigenen Interessen zu folgen und Räume aufzusuchen, in denen wir Gleichgesinnte treffen können: Kurse, Vereine, spirituelle Gemeinschaften, Ehrenämter oder auch Online-Gruppen zu Themen, die uns am Herzen liegen.
Freundschaften wandeln sich – und das ist in Ordnung
Nicht alle Freundschaften begleiten uns ein Leben lang, und das ist in Ordnung. Manche Beziehungen erfüllen ihren Zweck in einer bestimmten Lebensphase und lösen sich dann auf natürliche Weise.
"Als meine Kinder klein waren, hatte ich einen engen Kreis von Müttern um mich," erzählte eine Leserin in einer Diskussionsrunde. "Wir teilten den Alltag mit Kleinkindern, unterstützten uns gegenseitig, verstanden die Freuden und Herausforderungen dieser Zeit. Heute, wo unsere Kinder erwachsen sind, haben wir uns auseinandergelebt. Nicht aus Böswilligkeit, sondern weil wir unterschiedliche Wege eingeschlagen haben. Ich trauere diesen Freundschaften manchmal nach, aber ich weiß auch, dass sie zu ihrer Zeit wertvoll und richtig waren."
Diese Einsicht – dass manche Freundschaften kommen und gehen dürfen – kann sehr befreiend sein. Sie erlaubt uns, jeden Kontakt für das zu schätzen, was er ist, ohne krampfhaft an Beziehungen festzuhalten, die sich überlebt haben.
Die wichtigste Beziehung – die zu dir selbst
Bei all den wertvollen Verbindungen zu anderen Menschen gibt es eine Beziehung, die oft übersehen wird, obwohl sie die Grundlage für alle anderen ist: die Beziehung zu uns selbst. Sie ist die längste Beziehung unseres Lebens – wir sind vom ersten bis zum letzten Atemzug mit uns selbst zusammen.
Von der Selbstkritik zur Selbstfreundschaft
Viele von uns, besonders Frauen, haben ein kompliziertes Verhältnis zu sich selbst. Wir neigen dazu, strenger mit uns zu sein als mit jedem anderen Menschen. Wir kritisieren unser Aussehen, unsere Leistungen, unsere Entscheidungen. Wir vergleichen uns mit anderen und finden uns oft zu wenig: nicht schlank genug, nicht erfolgreich genug, nicht jung genug.
"Ich habe Jahrzehnte damit verbracht, mit mir selbst zu hadern," erzählte Sarah. "Erst mit Anfang Fünfzig begann ich zu verstehen, dass diese ständige Selbstkritik mich nicht voranbringt, sondern mich auslaugt. Es war, als hätte ich eine unerbittliche innere Kritikerin als ständige Begleiterin – würde ich so mit einer Freundin sprechen? Niemals!"
Diese Erkenntnis markierte den Beginn einer neuen Beziehung zu sich selbst. Statt Selbstkritik begann sie, Selbstfreundschaft zu üben – eine grundlegende Haltung des Wohlwollens und der Fürsorglichkeit sich selbst gegenüber.
Selbstfreundschaft bedeutet nicht, uns selbst für perfekt zu halten oder Fehler zu ignorieren. Es bedeutet, uns mit denselben Augen zu betrachten, mit denen wir einen geliebten Menschen sehen würden: mit Verständnis für unsere Schwächen, mit Anerkennung für unsere Stärken, mit Mitgefühl für unsere Schmerzen und mit Freude über unsere Erfolge.
Die Kunst, mit sich selbst allein zu sein
Ein Aspekt der Beziehung zu uns selbst, der in der Lebensmitte besondere Bedeutung gewinnt, ist die Fähigkeit, gut mit uns allein zu sein. Sei es durch den Auszug der Kinder, eine Trennung oder einfach durch mehr freie Zeit – viele von uns finden sich in dieser Lebensphase häufiger in der eigenen Gesellschaft wieder.
"Nach meiner Scheidung hatte ich Angst vor der Stille in meiner Wohnung," erzählte eine Freundin. "Ich hielt ständig den Fernseher an, telefonierte oder lud Freunde ein – alles, um nicht allein mit mir sein zu müssen. Bis ich eines Tages erkannte, dass ich vor mir selbst davonlief. Vor meinen unbequemen Gefühlen, meinen unerfüllten Sehnsüchten, meiner Trauer."
Der Wendepunkt kam, als sie begann, die Einsamkeit nicht mehr zu bekämpfen, sondern sie bewusst anzunehmen. "Ich fing an, kleine Rituale für mich selbst zu schaffen. Einen Tee in meiner Lieblingstasse, ein Bad bei Kerzenschein, ein Spaziergang in der Morgendämmerung. Langsam entdeckte ich, dass die Stille nicht mein Feind war, sondern ein Raum, in dem ich mich selbst neu kennenlernen konnte."
Diese Fähigkeit, die eigene Gesellschaft zu genießen, ist ein unschätzbares Geschenk. Sie befreit uns von der Abhängigkeit von äußerer Bestätigung und Unterhaltung. Sie öffnet Räume für Kreativität, Reflexion und inneres Wachstum. Und sie erlaubt uns, aus einer Position der inneren Fülle heraus in Beziehung zu anderen zu treten – nicht aus einem Gefühl des Mangels.
Selbstfürsorge ist keine Selbstsucht
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Beziehung zu uns selbst ist die Selbstfürsorge – die bewusste Entscheidung, gut für uns zu sorgen, auf unsere Bedürfnisse zu achten und Grenzen zu setzen, wenn nötig.
Besonders Frauen unserer Generation haben oft gelernt, die Bedürfnisse anderer über die eigenen zu stellen. Selbstfürsorge wurde als egoistisch oder luxuriös betrachtet, als etwas, das wir uns erst "verdienen" müssen, nachdem wir für alle anderen gesorgt haben.
"Meine Mutter hat sich buchstäblich aufgeopfert für die Familie," erzählte eine 58-jährige Teilnehmerin eines Retreats. "Sie war immer die Letzte, die aß, die Letzte, die schlief, die Letzte, die sich etwas gönnte. Ich dachte lange, das sei das Ideal einer guten Frau. Heute weiß ich, dass sie ein besseres Vorbild gewesen wäre, wenn sie uns gezeigt hätte, wie man auch für sich selbst gut sorgt."
Selbstfürsorge ist keine Selbstsucht. Sie ist die Grundlage für ein gesundes, erfülltes Leben und für die Fähigkeit, auch für andere da zu sein. Wie in den Sicherheitsanweisungen im Flugzeug: Erst wenn wir unsere eigene Sauerstoffmaske aufgesetzt haben, können wir anderen helfen.
Ein Beziehungs-Ritual für dich
Zum Abschluss möchte ich dir ein kleines, aber kraftvolles Ritual anbieten, das dir helfen kann, deine verschiedenen Beziehungen bewusster zu gestalten und zu pflegen.
Das Drei-Kreise-Ritual
Du brauchst:
So geht's:
Dieses einfache Ritual kannst du regelmäßig wiederholen – vielleicht monatlich oder zu besonderen Anlässen wie deinem Geburtstag oder zum Jahreswechsel. Es hilft dir, inne zu halten und bewusst wahrzunehmen, wie es um deine Beziehungen bestellt ist, anstatt sie einfach geschehen zu lassen.
Ein Abschlusswort an dich
Liebe Leserin, als Frauen in und nach der Lebensmitte haben wir die besondere Chance, unsere Beziehungen bewusster und authentischer zu gestalten als je zuvor. Wir kennen unsere Bedürfnisse besser, haben aus Erfahrungen gelernt und sind oft bereiter, für das einzustehen, was uns wirklich wichtig ist.
Ob in der Partnerschaft, in Freundschaften oder in der Beziehung zu uns selbst – wir können jetzt die Früchte unserer Lebenserfahrung ernten und Verbindungen schaffen, die uns wirklich nähren und bereichern.
Ich wünsche dir, dass du die Beziehungen in deinem Leben mit neuen Augen betrachtest und den Mut findest, sie so zu gestalten, dass sie deinem jetzigen Selbst entsprechen – nicht dem von vor zwanzig Jahren, nicht dem, das die Gesellschaft von dir erwartet, sondern der Frau, die du heute bist, mit all ihrer Weisheit, ihrer Tiefe und ihrer einzigartigen Schönheit.
In herzlicher Verbundenheit, Deine Sehnsuchtsmomente-Redaktion
P.S.: Welche deiner Beziehungen bereitet dir derzeit die größte Freude? Und welche fordert dich am meisten heraus? Ich würde mich freuen, wenn du deine Gedanken in den Kommentaren teilst.
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